Autismus-Spektrum-Störungen

Der Begriff «Autismus» kommt aus dem Griechischen und bedeutet «sehr auf sich bezogen sein». Er wurde erstmal 1943 von Leo Kanner und Hans Asperger verwendet, um Kinder mit einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung zu beschreiben. Autismus ist ein Spektrum. Das bedeutet, dass autistische Menschen sich sehr voneinander unterscheiden. Es gibt Betroffene, die gar nicht sprechen und andere, die über sehr gute mündliche Sprachfähigkeiten verfügen, diese jedoch im Alltag nur schwer einsetzen können. Heute wird der Fachbegriff Autismus-Spektrum-Störung verwendet (ASS).

Broschüre Autismus – Spektrum – Störung

Das Wichtigste in Kürze

Menschen aus dem Autismus-Spektrum sehen, hören und fühlen die Welt anders als ihre Mitmenschen. Aufgrund ihrer autistischen Wahrnehmung haben sie Schwierigkeiten, sich in andere Menschen hineinzufühlen und adäquat mit ihnen zu kommunizieren. Zudem können sie die Stimmung ihres Gegenübers aus dessen Gesicht schlecht erkennen und vermeiden deshalb oft Kontakte zu ihren Mitmenschen. Gerne befassen sie sich mit einem Spezialgebiet. Es ist für sie eine Herausforderung, sich auf Neues einzustellen und oftmals besteht der Wunsch, Alltagsabläufe immer gleich zu gestalten (Rituale). Sie tendieren dazu, sich an Details zu orientieren und haben Mühe, eine Situation ganzheitlich zu erfassen. In vielen Fällen sind die Betroffenen in ihren Bewegungen eher ungeschickt.

Über- oder Unterempfindlichkeiten auf Licht, Gerüche, Geräusche oder Berührungen sind häufig. Sie zeigen sich zum Beispiel als Faszination für Licht oder glänzende Oberflächen, als Angstreaktionen bei speziellen Geräuschen, als Vorliebe für intensive Körperkontakte oder als auffälliges Beriechen oder Ertasten von Oberflächen und Gegenständen. Diese Über- oder Unterempfindlichkeiten (die autistische Wahrnehmung) und die vorhandene Detail-Orientierung führen dazu, dass Kinder oder Erwachsene aus dem Autismus-Spektrum grosse Probleme haben, ihre Umwelt als sinnvolles Ganzes zu verstehen. Das Erreichen von Lernerfolgen wird dadurch erschwert. Weitere Informationen dazu finden Sie im Kapitel «Wahrnehmung».

Diese autistischen Merkmale können sehr ausgeprägt sein – dann beeinträchtigen sie die Entwicklung eines Kindes massgeblich und treten meistens bereits in den ersten drei Lebensjahren auf. Früher sprach man in diesen Fällen von frühkindlichem Autismus.

Sind die Merkmale weniger deutlich erkennbar, fallen sie dem Umfeld der betroffenen Person oder auch der Person selbst oft erst später auf. Die dann gestellte Diagnose ist auch unter dem Namen Asperger-Syndrom bekannt. Die Symptome sind auch hier von Person zu Person sehr unterschiedlich und verändern sich in ihrer Ausprägung im Laufe der Entwicklung.

Heute wird nicht mehr zwischen frühkindlichem Autismus und Asperger-Syndrom unterschieden. Alle Formen von Autismus werden unter dem Begriff Autismus-Spektrum-Störung zusammengefasst.

Autismus ist angeboren und kann nicht «geheilt» werden. Die Prognose des Verlaufs der Entwicklungsstörung ist nur schwer vorherzusagen. Es gibt Forschungsergebnisse, die zeigen, dass die Symptome mit dem Alter nachlassen. Dies aus dem Grund, weil die Betroffenen lernen, damit umzugehen. Um dies zu erreichen, brauchen die Betroffenen aber die richtige Unterstützung durch ihr Umfeld.

Personen mit autistischer Wahrnehmung haben gewisse Gemeinsamkeiten. Trotzdem ist jeder Mensch (ob Kind, Jugendlicher oder Erwachsener) anders. Auch die typischen Symptome können sich, wie in den folgenden Beispielen ersichtlich wird, von Person zu Person sehr unterschiedlich zeigen und sich in ihrer Ausprägung im Laufe der Entwicklung verändern.

Kommunizieren und sprechen
Timo kann gar nicht sprechen. Clara redet ohne Unterbruch über ihr Lieblingsthema und wiederholt sich oft – sie merkt nicht, dass sie ihre Mitmenschen damit langweilt. Eric redet gerne über die Themen, über die er viel weiss – er wirkt altklug und andere finden ihn oft belehrend. Simone braucht immer sehr lange, bis sie eine Frage beantworten kann.

Soziale Interaktionen
Céline will immer und überall dabei sein, damit sie nichts verpasst. Sandro versteht die Regeln der Gruppenspiele nicht und kann sich nicht aktiv beteiligen. Marie weiss nicht, wie sie jemanden ansprechen oder ein Gespräch mit jemand Fremdem beginnen soll. Fynn scheint oft abwesend oder unaufmerksam zu sein.

Kontakt aufnehmen
Mia fällt es schwer, jemandem in die Augen zu sehen – sie beobachtet lieber aus dem Augenwinkel. Jonas hat keine Hemmungen, stellt indiskrete Fragen, geht auch auf fremde Menschen zu und merkt nicht, dass man sie nicht einfach anfassen darf. Sonja weiss nicht, wie sie mit jemandem in Kontakt treten soll, Smalltalk ist für sie nicht möglich.

Mit Veränderungen umgehen
Jeden Morgen etwas Neues anzuziehen, ist für Joël eine Überforderung. Dass Schulstunden spontan umgestellt werden, ist für Anna sehr schwierig – sie reagiert stark und für ihr Umfeld unterwartet. Luis möchte am liebsten immer das Gleiche essen. Peter nimmt immer wieder genau den gleichen Weg, um an sein Ziel zu gelangen – Baustellen oder Umleitungen sind ein grosser Stress.

Überempfindlichkeiten
Sarah ist sehr geräuschempfindlich – das Brummen eines Staubsaugers versetzt sie in Panik. Bestimmte Gerüche irritieren Leon sehr, sie sind für ihn unangenehm. Einkaufen zu gehen ist für Peter sehr anstrengend, er kann die vielen Eindrücke im Supermarkt nicht verarbeiten. Viele Berührungen, vor allem unerwartete, sind für Martin sehr unangenehm und stressen ihn.

Ausgeprägte Interessen
Felix hat beim Spielen wenig Phantasie und dreht lieber an den Rädern seines Spielzeugautos. Sandra hat eine Vorliebe für komplizierte Puzzles und Geduldspiele. Luca interessiert sich für alles, was mit Zügen zu tun hat, er beschäftigt sich stundenlang damit. Hat ein Schulfach mit seinem Spezialthema zu tun, kann Dominique sehr gute Leistungen erbringen. Tim sitzt am liebsten stundenlang vor dem Computer, spielt Games oder findet Informationen zu seinem Spezialgebiet. Paul kennt alle Arten von Standuhren.

Es gibt nach wie vor wenige Daten zur Häufigkeit von Autismus-Spektrum-Störungen. Neuere Untersuchungen zeigen, dass ca. 1 % der Bevölkerung eine Diagnose aus dem Autismus-Spektrum hat, im Ausland schwanken die Zahlen zwischen 1 und 3 Prozent. Knaben oder Männer werden häufiger diagnostiziert als Frauen und Mädchen. Bei Mädchen kann eine autistische Symptomatik schnell übersehen werden, da Mädchen Schwierigkeiten im sozialen Bereich auf den ersten Blick besser kompensieren können und so häufig weniger auffallen. (Erfahren Sie mehr über Autismus bei Mädchen und Frauen)

Bis etwa 1980 wurden nur schwer betroffene Kinder mit frühkindlichem Autismus als «autistisch» diagnostiziert. Mit dem Konzept der Autismus-Spektrum-Störungen wurde die Diagnose häufiger gestellt.

Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Fachleute in der Regel einig sind, wann eine Autismus-Diagnose gestellt wird. Die amerikanischen Autismus-Spezialisten haben entschieden, in ihrem Diagnose-System DSM-5 nur noch die Diagnose «Autismus-Spektrum-Störung» (ASS) zu verwenden. Um die betroffenen Personen noch genauer zu beschreiben, wird festgehalten, ob eine Autismus-Spektrum-Störung mit oder ohne Sprachstörung, geistiger Behinderung oder zum Beispiel Epilepsie vorliegt. Der Schweregrad der autistischen Störung wird über den Unterstützungsbedarf des Betroffenen beschrieben (tief, mittel oder hoch). Das von der WHO und in der Schweiz verwendete Diagnose-System ICD-10 wird zurzeit überarbeitet. Es ist noch nicht klar, ob in ICD-11 alle Neuerungen in Bezug auf ASS von DSM-5 übernommen werden.

Bisher gab es im Autismus-Spektrum mehrere Diagnosen, so beispielsweise das Asperger-Syndrom. Im Diagnose-Handbuch DSM-5 werden sie zur Autismus-Spektrum-Störung zusammengefasst. Auch wenn der Begriff Asperger-Syndrom nicht mehr im DSM-5 ist, wird er trotzdem noch häufig verwendet.

Der Wiener Kinderarzt Hans Asperger hat als erster über Kinder geschrieben, die vor allem grosse Probleme hatten, sich in Gruppen zurecht zu finden.
Kinder mit dem Asperger-Syndrom zeigen in den ersten Lebensjahren eine normale sprachliche und kognitive Entwicklung. Ihre Probleme werden oft erst deutlich, wenn sie mehr Zeit mit anderen Kindern verbringen. Auch sie zeigen Auffälligkeiten in verschiedenen Bereichen:

  • Beeinträchtigung des sozialen Verhaltens:
    Zum Beispiel ein eingeschränktes Interesse an Gleichaltrigen, Schwierigkeiten Freundschaften zu schliessen und sich in Andere hinein zu versetzen (Mangel an Einfühlungsvermögen), oft einen ungeschickten sozialen Umgang mit anderen Menschen.
  • Sprach- und Sprechauffälligkeiten:
    Zum Beispiel eine altkluge, pedantische Ausdrucksweise oder eine besondere Sprachmelodie, wörtliches Verständnis und dadurch Mühe mit Ironie oder Wortspielen.
  • Auffälligkeiten in der nonverbalen Kommunikation: Zum Beispiel im Blickkontakt oder im Einsatz von Mimik und Gestik.
  • Ausgeprägte Interessen
    Diese beanspruchen viel Zeit, werden repetitiv ausgeübt und haben oft einen eher technischen Charakter, zum Beispiel Vorliebe für Formeln, Fahrpläne, technische Details, historische Daten oder Ähnliches; Mädchen und Frauen interessieren sich oft auch für Leute mit speziellen Begabungen oder für einzelne Tierarten.

Daneben haben Betroffene häufig Schwierigkeiten, sich auf Neues einzustellen und den Wunsch, Alltagsabläufe immer gleich zu gestalten (Rituale). In vielen Fällen sind die Betroffenen in ihren Bewegungen unbeholfen und ungeschickt. Zudem reagieren sie oft überempfindlich auf grelles Licht, spezielle Geräusche, Gerüche oder Berührungen.

Im Gegensatz zu den anderen autistischen Formen kann man beim Asperger-Syndrom basierend auf der äusseren Erscheinung der Person nicht sagen, ob jemand davon betroffen ist. So werden die Probleme der betroffenen Kinder oder Jugendlichen oft erst im Kindergarten oder in der Schule deutlich – manchmal sogar erst im Erwachsenenalter.

Menschen mit dem Asperger-Syndrom unterscheiden sich in ihrer Wahrnehmung und ihrem Denken stark von der anderen «neurotypischen» Menschen. Diese sind in der Lage, sich in einer neuen Situation schnell einen Überblick zu verschaffen, während «Aspies» (so nennen sich Menschen mit Asperger-Syndrom selber) oft zuerst viele Details wahrnehmen und dann versuchen, ein System dahinter zu erkennen. Sie haben oft auch ein sehr gutes Gedächtnis für diese Details.

Bisher gab es im Autismus-Spektrum mehrere Diagnosen, so beispielsweise den frühkindlichen Autismus. Im Diagnose-Handbuch DSM-5 werden sie zur Autismus-Spektrum-Störung zusammengefasst. Auch wenn der frühkindliche Autismus im DSM-5 nicht mehr unterschieden wird, finden Sie hier mehr Informationen darüber.

Die vom amerikanischen Kinderpsychiater Leo Kanner 1943 beschriebenen Kinder erhielten die Diagnose frühkindlicher Autismus. Man kennt deshalb auch den Namen Kanner-Autismus. Kanners Beschreibung und Definition hat lange das Bild des frühkindlichen Autismus geprägt.
Bei den betroffenen Kindern sind häufig Auffälligkeiten in folgenden drei Bereichen vorhanden:

  • In der Sprache und der Kommunikation:
    Zum Beispiel verspätete oder fehlende Sprachentwicklung oder Verlust von vorhandener Sprache, häufiges Wiederholen von Wörtern oder Sätzen, Schwierigkeiten die Sprache zu verwenden, um Wünsche oder Bedürfnisse auszudrücken.
  • Auffälligkeiten der sozialen Interaktionen: Zum Beispiel Besonderheiten im Blickkontakt, Mimik und Gestik, wenig Interesse an anderen Personen oder ungeschickte Formen der Kontaktaufnahme, fehlendes Verständnis für Abläufe innerhalb von Gruppen.
  • Eingeschränkte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten: Zum Beispiel drehen an Rädern von Spielzeugautos, Aufreihen von Gegenständen, auffällige Hand- oder Körperbewegungen, Festhalten an Gewohnheiten, Mühe mit Programmänderungen.

Erste Hinweise sind oft ab einem Alter von 12 Monaten vorhanden. Mit 2 - 2 1/2 Jahren kann in der Regel eine zuverlässige Diagnose gestellt werden. Kinder mit frühkindlichem Autismus zeigen oft einen allgemeinen Entwicklungsrückstand. Bezüglich der Kommunikation und Sprache zeigt sich dieser Rückstand dadurch, dass einige Kinder erst später mit dem Sprechen anfangen. Manche Betroffene sprechen auch als Erwachsene nicht oder kaum.

Auch wenn der atypische Autismus im DSM-5 nicht mehr unterschieden wird und unter dem Begriff Autismus-Spektrum-Störung zusammengefasst wird, wird er häufig noch verwendet.

Sind bei Kindern mit einer autistischen Störung die Symptome nicht in allen drei Bereichen (Schwierigkeiten in der Sprache und Kommunikation, Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion, eingeschränkte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster) vorhanden, sind sie erst später deutlich geworden oder nicht sehr ausgeprägt, spricht man von atypischem Autismus.

Die Ursachen von Autismus-Spektrum-Störungen sind bis heute nicht vollständig geklärt. Bei der Entstehung spielen mit Sicherheit mehrere Faktoren eine Rolle. Genetische Einflüsse und biologische Abläufe vor, während und nach der Geburt können die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen und die Autismus-Spektrum-Störung auslösen. Eine Autismus-Spektrum-Störung entsteht nicht durch Erziehungsfehler oder familiäre Konflikte.

Ist Autismus heilbar?
Autismus ist eine angeborene Entwicklungsstörung und kann nicht geheilt werden. Dies bedeutete jedoch nicht, dass Menschen aus dem Autismus-Spektrum nicht unterstützt werden können. Seit Autismus 1940 entdeckt und beschrieben wurde, ist das Wissen über die Entwicklungsstörung stark gewachsen. Es gibt viele Möglichkeiten, um den Alltag eines Menschen aus dem Autismus-Spektrum zu erleichtern.

Autismus ist ein Spektrum, bei dem die Symptome der Betroffenen unterschiedlich ausgeprägt sind. Aus diesem Grund ist es schwierig, eine Vorhersage über den Verlauf zu machen. Jeder Mensch mit Autismus ist anders und hat andere Bedürfnisse und Fähigkeiten. Eine erfolgreiche Förderung und Unterstützung kann sich demnach von Betroffenem zu Betroffenem stark unterscheiden. Mit gezielten Unterstützungsangeboten können Menschen mit Autismus ihre Fähigkeiten entwickeln und dadurch besser und selbstbestimmter am Leben in die Gesellschaft teilnehmen.

Häufig ist mehrheitlich die Rede von Schwierigkeiten und Problemen, mit denen Menschen mit Autismus im Alltag zu kämpfen haben. Sie haben aber auch viele Stärken. Jeder Mensch mit Autismus ist anders und hat andere Stärken.

Autistische Stärken und Qualitäten sind:

Ehrlich und direkt: Menschen aus dem autistischen Spektrum sind in der Regel ehrlich und in ihrer Kommunikation offen und direkt. Hintergedanken und Lügen sind ihnen fremd. Interessiert an Details: Menschen mit Autismus nehmen Details überdurchschnittlich ausgeprägt wahr. Anders als ihre Mitmenschen sehen sie Dinge und Situationen erst in ihren Einzelmerkmalen, bevor sie diese als Ganzes erfassen. Durch das können sie Unterschiede besser erkennen als Gemeinsamkeiten. Sie finden sehr schnell Fehler und können Arbeiten genau und perfektionistisch ausführen. Bei Arbeiten, bei denen diese Fähigkeiten gefragt sind, haben Menschen aus dem Autismus-Spektrum gute Chancen, sich weiterzuentwickeln.

Spezialinteressen: Menschen mit Autismus entwickeln oft spezielle Interessen und vertiefen diese mit einer aussergewöhnlichen Begeisterung und Ausdauer. Damit verbundene Tätigkeiten führen sie gewissenhaft und konzentriert durch. Daraus entsteht ein sehr grosses Wissen über diese Themengebiete (z.B. Flugzeuge, Verkehrsnetze, etc.) und es können auch hervorragende Leistungen resultieren. Erfolgsversprechend ist die Verknüpfung des Spezialinteressens mit Ausbildung und Beruf.

Kreativität: Menschen mit Autismus sind oft sehr kreativ. Anders als ihre Mitmenschen können sie sich oft mit einer sehr grossen Ausdauer etwas zuwenden, ohne dass es ihnen langweilig wird.

Bei Jungen und Männern wird häufiger Autismus diagnostiziert als bei Mädchen und Frauen. Wie ist dies zu erklären?

Jungen und Männer werden bis zu viermal häufiger mit Autismus diagnostiziert. Dies liegt auch daran, dass sich viele Diagnosekriterien auf die männliche Ausprägung des Autismus beziehen. Bei Mädchen und Frauen zeigt sich Autismus etwas anders, nämlich versteckter. Bei Mädchen, bei denen sich die Diagnosekriterien nicht so auffällig zeigen, werden deshalb weniger häufig mit Autismus diagnostiziert. Nicht selten erhalten sie erst im Jugend- oder Erwachsenenalter die richtige Diagnose und eine effektive Förderung.

Typische Unterschiede
Die autistischen Symptome sind bei weiblichen Betroffenen häufig weniger stark ausgeprägt als bei männlichen. Mädchen mit Autismus sind oft ruhiger und können ihr Verhalten besser kontrollieren. Anders als die männlichen Betroffenen fallen sie weniger durch Stören des Unterrichts oder durch aggressives Verhalten auf. Mädchen verhalten sich vielmehr passiv und ziehen sich oft zurück. Dies entspricht den gesellschaftlichen Erwartungen an Mädchen und Frauen (still, schüchtern, unschuldig), was auf andere Menschen weniger störend wirkt und daher keine sofortigen Interventionen verlangt. Auch der mangelnde Blickkontakt wird bei Frauen eher mit Schüchternheit erklärt, nicht als ungewöhnlich wahrgenommen und deshalb eher nicht mit einer autistischen Störung in Verbindung gebracht.

Schwierigkeiten „tarnen“
Betroffenen Mädchen gelingt es besser, ihre Schwierigkeiten zu verstecken. Sie beobachten aufmerksam andere Mädchen und versuchen deren Verhalten nachzuahmen oder zu kopieren. Sie versuchen nicht aufzufallen oder „unsichtbar“ in der Gruppe mitlaufen zu können. Oder sie versuchen, Verhaltensweisen auswendig zu lernen, die ihnen im sozialen Kontakt schwerfallen. Anders als die meisten männlichen Betroffenen sind die Mädchen oder Frauen eher sozial veranlagt und können durchaus auch eine beste Freundin haben. Sie zeigen häufig ein grösseres Interesse an Freundschaften und sozialen Beziehungen.

Spezialinteressen sind häufig alterstypisch
Wie die männlichen Betroffenen verfolgen häufig auch die Mädchen und Frauen mit Autismus ein Spezialinteresse. Anders als Kinder ohne Autismus, welche schnell das Interesse an einem Themengebiet verlieren, verfolgen sie ihr Spezialinteresse mit einer hohen Intensität und Qualität. Jungen und Männer mit Autismus verfolgen häufig ein Spezialinteresse, welches andere Kinder in ihrem Alter nicht interessiert (z.B. Strommasten, Toilettenspülung, etc.). Weibliche Betroffene hingegen wählen oft eher ein unauffälliges und manchmal sogar alterstypisches Spezialinteresse wie beispielsweise Tiere, Figuren, Bücher (z.B. Fantasy) oder Zeichnen.

Bei Menschen mit Autismus werden oft noch zusätzliche Diagnosen gestellt. Um Betroffene zu unterstützen ist es wichtig, ihre besonderen Bedürfnisse zu verstehen. Erst wenn ihre Grundbedürfnisse gestillt sind, sind sie fähig, sich weiterzuentwickeln und Neues zu lernen.

ADHS
Überschneidungen, Kombinationen und Mischformen von ADHS und einer Autismus-Spektrum- Störung sind sehr häufig. Der Begriff ADHS wird im DSM-5 durch drei Symptomgruppen charakterisiert: Aufmerksamkeitsdefizit, Hyperaktivität und Impulsivität. Weiter wird zwischen drei Subtypen unterschieden: 1. Kombiniert – Symptome aus allen drei Gruppen vorhanden, 2. vorwiegend unaufmerksam – ohne Hyperaktivität, 3. vorwiegend hyperaktiv-impulsiv.

Epilepsie
Epilepsie ist eine Erkrankung, bei der es wiederholt zu epileptischen Anfällen kommt. Diese Anfälle sind auf Funktionsstörungen der Hirnnervenzellen zurückzuführen. Während des Anfalls kommt es zwischen den Hirnnervenzellen zu elektrischen Entladungen, durch die unkontrollierte „Befehle“ an den Körper weitergegeben werden. Diese zeigen sich bei der betroffenen Person in einem Anfall. Es gibt viele verschiedene Arten von epileptischen Anfällen (Krampfen des ganzen Körpers, Zucken von einzelnen Körperteilen oder Bewusstseinsstörung) und sie können bei jedem Menschen in jedem Alter auftreten.

Einer von hundert Menschen leidet an Epilepsie. Menschen mit Autismus haben ein erhöhtes Risiko, zwischen 20% und 40%, um an Epilepsie zu erkranken. Diese Rate erhöht sich mit dem Lebensalter.

Gewisse Verhaltensweisen von Menschen mit Autismus, wie beispielsweise repetitive Verhaltensmuster oder das Anstarren von Dingen und Personen, können wie epileptische Anfälle wirken. Alle Anzeichen müssen von einem Spezialisten untersucht werden.

Down-Syndrom
Es gibt Menschen, bei denen eine Doppeldiagnose vorliegt. Sie haben Autismus und das Down- Syndrom. Das Down-Syndrom ist eine lebenslange Behinderung, bei der die Entwicklung der Betroffenen verzögert ist. Obwohl das Down-Syndrom nicht geheilt werden kann, ist es möglich, den Alltag der Betroffenen durch gezielte Unterstützung zu erleichtern und ihnen ein glückliches und eigenständiges Leben zu ermöglichen. Das Down-Syndrom wird spätestens nach der Geburt diagnostiziert. Es entsteht, wenn Babys ein zusätzliches Chromosom 21 haben.

Alle Menschen mit dem Down-Syndrom haben Lernschwierigkeiten. Kinder mit dem Down-Syndrom lernen zwar die grundlegenden Fähigkeiten und Fertigkeiten (laufen, alleine die Toilette benutzen etc.), ihre Entwicklung ist jedoch verzögert, das Erlernen von Fähigkeiten dauert länger und sie brauchen mehr Unterstützung als neurotypische Kinder.

Wie auch Kinder mit Autismus, lernen Kinder mit dem Down-Syndrom oft besser mit visueller Unterstützung.

Hyperlexie
Menschen mit Hyperlexie sind sehr stark von Buchstaben und Zahlen fasziniert und besitzen oft schon im frühen Kindesalter, vor ihren Altersgenossen, die Fähigkeit zu lesen. Trotz ihres aussergewöhnlichen Umgangs mit der Sprache (z.B. Rückwärtslesen, grosses Sprachgedächtnis) haben sie Schwierigkeiten die verbale Sprache zu verstehen und mit ihren Mitmenschen zu interagieren. Hyperlexie ist ein mögliches Anzeichen für eine Autismus-Spektrum-Störung.

Lernbehinderung
Bei Menschen mit Autismus können Lernbehinderungen verschieden ausgeprägt sein. Diese Einschränkungen des Lernens können sich auf viele Aspekte ihres Lebens auswirken (Schwierigkeiten bei: Lernen in der Schule, Körperpflege, Essenszubereitung etc.). Es gibt Betroffene, die selbstständig leben können, doch auch diese Menschen brauchen grosse Unterstützung von ihrem Umfeld, um dies zu erreichen. Andere Betroffene brauchen eine lebenslange und auf ihre besonderen Bedürfnisse spezialisierte Unterstützung. Es gibt Menschen mit Autismus, die keine Lernbehinderung haben, jedoch trotzdem spezielle Lernschwierigkeiten wie zum Beispiel Dyslexie (=trotz normalen Seh- und Hörvermögen können Betroffene nur schwer Wörter oder Texte lesen und verstehen) haben.

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